Veröffentlicht am Mai 10, 2024

Entgegen der Annahme, dass „schlechte Gene“ unser Schicksal besiegeln, liegt die Kontrolle über unsere langfristige Gesundheit zu einem überwältigenden Teil in unseren eigenen Händen.

  • Der Lebensstil ist für bis zu 90 % der chronischen Erkrankungen wie Herzinfarkt, Krebs oder Diabetes verantwortlich, nicht die Genetik.
  • Fünf gezielte Gewohnheiten – die „Big 5“ – können die krankheitsfreie Lebenszeit um bis zu 10 Jahre verlängern.

Empfehlung: Konzentrieren Sie sich nicht auf Ihre genetische Veranlagung, sondern auf die proaktive Steuerung dieser fünf Lebensstil-Faktoren, um das Drehbuch Ihrer Familiengeschichte neu zu schreiben.

Viele von uns kennen es aus der eigenen Familie: Die Geschichten über den Herzinfarkt des Vaters, den Diabetes der Mutter oder die Krebserkrankung der Großeltern. Diese Erzählungen prägen uns und säen oft eine tiefsitzende Sorge: Ist das auch mein Schicksal? Die weit verbreitete Meinung, dass unsere Gene den Weg für unsere Gesundheit unausweichlich vorzeichnen, führt zu einer passiven, fast fatalistischen Haltung. Man konzentriert sich auf Früherkennung in der Hoffnung, die Krankheit rechtzeitig zu „erwischen“, anstatt ihre Entstehung von Grund auf zu verhindern. Wir leben in einer Kultur der Behandlung, nicht der Vermeidung.

Die gängigen Ratschläge – mehr bewegen, gesünder essen – klingen oft wie leere Floskeln, deren wahre Wirkkraft im Verborgenen bleibt. Doch was wäre, wenn die eigentliche Wahrheit viel radikaler und ermächtigender wäre? Was wäre, wenn die Wissenschaft uns heute Werkzeuge an die Hand gibt, mit denen wir nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch die Aktivität unserer Gene aktiv beeinflussen können? Die moderne Lebensstilmedizin zeigt: Sie sind dem genetischen Erbe Ihrer Familie nicht hilflos ausgeliefert. Sie können das Ruder übernehmen.

Dieser Artikel bricht mit dem Mythos des genetischen Schicksals. Er zeigt Ihnen, basierend auf erdrückender wissenschaftlicher Evidenz, warum Ihr Lebensstil die mächtigste Waffe im Kampf gegen chronische Krankheiten ist. Wir werden die fünf entscheidenden Faktoren – die „Big 5“ – entschlüsseln, einen klaren Plan zu deren Umsetzung vorstellen und aufzeigen, wie Sie durch gezielte Vorsorge Ihre gewonnene Gesundheit langfristig sichern. Es geht nicht mehr nur darum, länger zu leben, sondern darum, die Gesundheitsspanne – die Jahre in voller Lebenskraft – maximal zu verlängern.

Dieser Leitfaden führt Sie systematisch von der Erkenntnis des Problems zur Umsetzung der Lösung. Entdecken Sie die Strategien, mit denen Sie Ihre Gesundheit proaktiv gestalten können.

Warum 7 von 10 Todesfällen durch Lebensstiländerung vermeidbar wären?

Die Zahlen sind alarmierend und zugleich ein Weckruf: In der westlichen Welt sind chronische, nichtübertragbare Krankheiten die Todesursache Nummer eins. Für Deutschland sind die Daten besonders deutlich. Laut WHO-Daten liegt der Anteil der Todesfälle durch nichtübertragbare Krankheiten hierzulande bei schockierenden 90 Prozent. Dazu zählen vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes Typ 2 und chronische Atemwegserkrankungen. Diese Krankheiten entwickeln sich schleichend über Jahre und Jahrzehnte und sind keine plötzlichen Schicksalsschläge.

Die entscheidende Frage ist: Was sind die Ursachen? Die Wissenschaft unterscheidet hier zwischen endogenen (inneren, genetischen) und exogenen (äußeren) Faktoren. Während die genetische Veranlagung eine gewisse Rolle spielt, ist ihr Einfluss weit geringer als gemeinhin angenommen. Der überragende Anteil dieser Erkrankungen wird durch exogene Faktoren getriggert – also durch unseren Lebensstil und unsere Umwelt. Konkret bedeutet das: unsere Ernährung, unser Bewegungsverhalten, der Umgang mit Stress, Schlafqualität und der Konsum von Genussgiften wie Tabak und Alkohol.

Die Erkenntnis, dass 70 bis 80 Prozent dieser Krankheitslast direkt auf beeinflussbare Verhaltensweisen zurückzuführen sind, ist revolutionär. Es bedeutet, dass die Mehrheit der vorzeitigen Todesfälle und der Jahre, die Menschen in Krankheit verbringen, potenziell vermeidbar wären. Statt uns auf die Behandlung bereits manifester Krankheiten zu fokussieren, liegt der Schlüssel in der Primärprävention – also darin, die Entstehung von Krankheiten von vornherein zu unterbinden. Das ist die Kernbotschaft der Lebensstilmedizin: Sie gibt uns die Macht zurück, unsere Gesundheitszukunft aktiv zu gestalten, anstatt passive Opfer unserer Umstände oder Gene zu sein.

Wie Sie die Big 5 der Krankheitsprävention in 6 Monaten umsetzen?

Die Erkenntnis, dass der Lebensstil entscheidend ist, ist der erste Schritt. Der zweite ist die Umsetzung. Die Forschung hat fünf Kernbereiche identifiziert, die den größten Einfluss auf die Prävention chronischer Krankheiten haben – die „Big 5“. Diese sind: eine ausgewogene, pflanzenbasierte Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität, das Halten eines gesunden Körpergewichts (BMI unter 25), der Verzicht auf Rauchen und ein moderater Alkoholkonsum. Die gute Nachricht: Sie müssen Ihr Leben nicht von heute auf morgen komplett umkrempeln. Ein strategischer 6-Monats-Plan hilft, diese Gewohnheiten nachhaltig zu integrieren.

Zeitstrahl eines 6-Monats-Präventionsplans mit monatlichen Meilensteinen in einer deutschen Waldlandschaft

Ein solcher Plan könnte wie folgt aussehen: Konzentrieren Sie sich alle 4-6 Wochen auf einen neuen Schwerpunkt, ohne die vorherigen zu vernachlässigen. Beginnen Sie mit dem, was Ihnen am leichtesten fällt. Vielleicht ist es die Integration von 30 Minuten zügigem Gehen pro Tag (Monat 1-2). Danach fokussieren Sie sich auf die Ernährung, indem Sie schrittweise eine pflanzliche Mahlzeit pro Tag einführen (Monat 3-4). Parallel dazu arbeiten Sie an der Reduktion oder dem vollständigen Verzicht auf Alkohol und Nikotin (Monat 5-6). Die positive Wirkung dieser Veränderungen ist messbar und motivierend – nicht erst in ferner Zukunft, sondern oft schon nach wenigen Wochen in Form von mehr Energie, besserem Schlaf und stabilerem Gewicht.

Fallstudie: Die Harvard-Studie zur Gesundheitsspanne

Eine Langzeitstudie der Harvard T.H. Chan School of Public Health untermauert dies eindrucksvoll. Sie zeigte, dass Frauen, die im Alter von 50 Jahren vier oder fünf dieser gesunden Gewohnheiten befolgten, durchschnittlich 10 Jahre länger frei von Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs lebten (34,4 statt 23,7 Jahre). Männer gewannen 7,6 krankheitsfreie Jahre. Dies beweist: Es geht nicht nur um Lebensjahre, sondern um gesunde Lebensjahre – eine deutlich verlängerte Gesundheitsspanne.

Herz-Kreislauf oder Krebs-Prävention: Was zuerst bei begrenzter Zeit?

Angesichts begrenzter Zeit und Energie stellt sich für viele die Frage nach der Priorisierung: Sollte ich mich auf die Prävention von Herzerkrankungen konzentrieren, weil sie die häufigste Todesursache in meiner Familie sind, oder auf die Krebsvorsorge? Die Antwort der Lebensstilmedizin ist ebenso einfach wie genial: Sie müssen sich nicht entscheiden. Die „Big 5“ Lebensstil-Faktoren sind keine isolierten Strategien für einzelne Krankheiten. Sie wirken systemisch und reduzieren das Risiko für ein ganzes Spektrum chronischer Erkrankungen gleichzeitig.

Die Mechanismen sind eng miteinander verknüpft. Eine entzündungshemmende, pflanzenbasierte Ernährung wirkt sich positiv auf die Gefäßgesundheit (Herz-Kreislauf-System) aus und senkt gleichzeitig das Risiko für bestimmte Krebsarten, die durch chronische Entzündungen gefördert werden. Regelmäßige Bewegung verbessert nicht nur die Insulin-Sensitivität (Diabetes-Prävention), sondern stärkt auch das Immunsystem bei der Abwehr von Krebszellen. Dieser synergetische Effekt wurde in umfassenden Studien bestätigt. Eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) hat gezeigt, dass alle 13 untersuchten Lebensstil-Scores, die diese Faktoren kombinieren, das Risiko für multiple chronische Krankheiten signifikant vorhersagen konnten.

Anstatt also in Silos zu denken („Was tue ich gegen Krebs? Was tue ich gegen Diabetes?“), ist es weitaus effektiver, sich auf die Verbesserung des gesamten Lebensstil-Scores zu konzentrieren. Die folgende Tabelle, basierend auf den Daten der Harvard-Studie, zeigt eindrücklich, wie viele krankheitsfreie Jahre für verschiedene Erkrankungstypen durch einen gesunden Lebensstil gewonnen werden.

Gewonnene krankheitsfreie Lebensjahre nach Erkrankungstyp
Erkrankung Frauen Männer
Krebs +8,3 Jahre +6,0 Jahre
Herz-Kreislauf +10,0 Jahre +8,6 Jahre
Typ-2-Diabetes +12,3 Jahre +10,3 Jahre

Der Fokus sollte also nicht auf der Prävention einer einzelnen Krankheit liegen, sondern auf dem Aufbau eines ganzheitlich gesunden Lebensstils. Dieser Ansatz ist nicht nur effizienter, sondern wirkt sich positiv auf alle Aspekte Ihrer Gesundheit aus.

Der Irrtum, „schlechte Gene“ machen Prävention sinnlos?

Dies ist der vielleicht größte und lähmendste Irrglaube in der Gesundheitsdebatte: „In meiner Familie hatten alle Herzprobleme, da kann ich eh nichts machen.“ Diese deterministische Sichtweise ignoriert eine der spannendsten Entdeckungen der modernen Biologie: die Epigenetik. Stellen Sie sich Ihre DNA wie ein riesiges Drehbuch vor. Die Gene sind die geschriebenen Zeilen, aber die Epigenetik ist der Regisseur, der entscheidet, welche Zeilen laut gelesen und welche stumm geschaltet werden. Ihr Lebensstil ist der wichtigste Einflussfaktor auf diesen Regisseur.

Fakten untermauern diese Sichtweise: Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass weniger als 5% der chronischen Krankheiten primär auf direkt vererbbare, also rein genetische Faktoren, zurückzuführen sind. Die überwältigende Mehrheit entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel von Genen und Umwelt – und hier vor allem dem Lebensstil. Das bedeutet, selbst wenn Sie eine genetische Veranlagung für eine bestimmte Krankheit in sich tragen, ist diese keinesfalls ein Todesurteil. Es ist vielmehr ein Warnsignal, das Sie motivieren sollte, die epigenetischen „Schalter“ durch einen gesunden Lebensstil bewusst auf „gesund“ zu stellen.

Zwischen 70 % und 90 % der Fälle von Typ-2-Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Dickdarmkrebs könnten verhindert werden, wenn die Faktoren Ernährung, Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel konsequenter berücksichtigt würden. Diese Zahlen zeigen unmissverständlich: Ihr Verhalten hat einen weitaus größeren Einfluss als Ihre genetische Ausstattung. Sie haben die Macht, das Drehbuch Ihrer Familiengeschichte umzuschreiben. Anstatt sich als Opfer Ihrer Gene zu sehen, sollten Sie sich als aktiver Gestalter Ihrer biologischen Realität verstehen. Prävention ist gerade dann am sinnvollsten, wenn eine familiäre Vorbelastung bekannt ist.

Welche Vorsorge wann: Der Screening-Kalender für 30-70-Jährige?

Ein proaktiver Lebensstil ist die Basis, aber er wird optimal ergänzt durch eine intelligente Nutzung der medizinischen Früherkennung. Vorsorgeuntersuchungen (Screenings) sind kein Ersatz für einen gesunden Lebensstil, sondern ein wichtiges Sicherheitsnetz. Sie dienen dazu, mögliche Krankheitsvorstufen oder Erkrankungen in einem sehr frühen, gut behandelbaren Stadium zu entdecken. Für Menschen mit familiärer Vorbelastung ist dies ein besonders wichtiger Baustein der persönlichen Gesundheitsstrategie. In Deutschland bieten die gesetzlichen Krankenkassen ein umfassendes Programm an, das Sie unbedingt kennen und nutzen sollten.

Drei Generationen einer deutschen Familie genießen einen aktiven Lebensstil in einem Park und symbolisieren die Vorsorge in verschiedenen Lebensphasen.

Der Vorsorgekalender ist nach Alter und Geschlecht gestaffelt, da sich die Risiken für bestimmte Erkrankungen im Laufe des Lebens verändern. Es ist entscheidend, diese Termine nicht als lästige Pflicht, sondern als festen Bestandteil Ihres Gesundheitsmanagements zu betrachten. Sie sind die regelmäßigen Inspektionen, die sicherstellen, dass Ihr Körper – den Sie durch Ihren Lebensstil pflegen – optimal funktioniert. Die wichtigsten von den Kassen getragenen Untersuchungen umfassen:

  • Check-up 35: Eine umfassende Gesundheitsuntersuchung für Herz, Kreislauf, Nieren und auf Diabetes, die allen Versicherten ab 35 Jahren alle drei Jahre zusteht.
  • Hautkrebsscreening: Ab 35 Jahren können Sie alle zwei Jahre Ihre Haut auf verdächtige Veränderungen untersuchen lassen.
  • Darmkrebsvorsorge: Ab 50 Jahren wird ein jährlicher Stuhltest empfohlen, ab 55 Jahren für Männer und Frauen eine Darmspiegelung (Koloskopie), die bei unauffälligem Befund nur alle 10 Jahre wiederholt werden muss.
  • Krebsvorsorge für Männer: Ab 45 Jahren wird eine jährliche Untersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs empfohlen.
  • Krebsvorsorge für Frauen: Zwischen 50 und 69 Jahren haben Frauen alle zwei Jahre Anspruch auf ein Mammographie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs.

Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt über Ihre individuelle Situation und Familiengeschichte. Auf dieser Basis kann der Standard-Vorsorgeplan für Sie angepasst und individualisiert werden.

Wie Sie in 4 Wochen eine nachhaltige Gesundheitsroutine etablieren?

Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Eine komplette Lebensstiländerung mag monumental erscheinen, doch der Schlüssel liegt darin, klein anzufangen und Dynamik aufzubauen. Das Ziel für die ersten vier Wochen ist nicht Perfektion, sondern Konsistenz. Es geht darum, eine neue Gewohnheit so fest zu verankern, dass sie zur Routine wird und keine ständige Willenskraft mehr erfordert. Suchen Sie sich eine einzige, überschaubare Veränderung aus den „Big 5“ aus – zum Beispiel jeden Tag 20 Minuten spazieren zu gehen oder zu jeder Mahlzeit eine Portion Gemüse zu essen.

Je eher man mit einer gesunden, bewegungsreichen Lebensweise anfängt, desto besser kann man das Entstehen von Erkrankungen – gerade auch chronischen – beeinflussen.

– Prof. Dr. Johann Ockenga, Klinikum Bremen Interview

Um die Motivation hochzuhalten, nutzen Sie die Angebote des deutschen Gesundheitssystems. Viele Krankenkassen bieten Bonusprogramme und bezuschussen Präventionskurse. Dies ist eine fantastische Möglichkeit, Struktur und Verbindlichkeit zu schaffen. Ob Aquafitness, Yoga oder ein Kurs zur Stressbewältigung – diese Programme werden von Experten geleitet und finden in einem motivierenden Gruppensetting statt. Die KKH beispielsweise bezuschusst qualitätsgeprüfte Präventionskurse mit bis zu 160 Euro pro Jahr. Diese finanzielle Unterstützung und die feste Struktur eines Kurses können der entscheidende Anstoß sein, um die anfängliche Hürde zu überwinden und eine neue Routine zu etablieren.

Verfolgen Sie Ihren Fortschritt. Notieren Sie jeden Tag, an dem Sie Ihr Ziel erreicht haben, in einem Kalender. Dieses simple Abhaken erzeugt ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und bestärkt Sie darin, weiterzumachen. Nach vier Wochen konsequenter Umsetzung ist die neue Gewohnheit bereits deutlich fester im Alltag verankert. Dies ist der perfekte Zeitpunkt, um die nächste kleine Veränderung in Angriff zu nehmen und so schrittweise Ihre nachhaltige Gesundheitsroutine aufzubauen.

Wie Sie Ihren individuellen Screening-Plan in 4 Schritten erstellen?

Die allgemeinen Vorsorgeempfehlungen der Krankenkassen sind eine exzellente Grundlage. Doch um die Prävention wirklich zu optimieren, sollten Sie einen Plan entwickeln, der auf Ihre persönliche Situation, Ihre Risikofaktoren und Ihre Familiengeschichte zugeschnitten ist. Die Tatsache, dass laut Stiftung Gesundheitswissen etwa 40 Prozent der Menschen in Deutschland chronisch krank sind, unterstreicht die Notwendigkeit eines personalisierten Ansatzes. Ein Gespräch mit Ihrem Hausarzt ist dabei unerlässlich, doch die Vorbereitung darauf liegt in Ihrer Hand. Mit den folgenden Schritten erstellen Sie die Basis für Ihren persönlichen Präventionsfahrplan.

Dieser strukturierte Ansatz verwandelt vage Sorgen in konkrete Handlungen. Er ermöglicht Ihnen ein fundiertes Gespräch mit Ihrem Arzt und gibt Ihnen das Gefühl, Ihre Gesundheitsvorsorge aktiv und kompetent zu steuern. Anstatt nur auf Empfehlungen zu reagieren, werden Sie zum Architekten Ihrer eigenen Präventionsstrategie. Dies ist ein entscheidender Schritt, um das Ruder Ihrer Gesundheit fest in die Hand zu nehmen und nicht nur auf die Vermeidung von Krankheiten zu hoffen, sondern sie strategisch zu planen.

Ihr Audit-Plan zur personalisierten Vorsorge

  1. Risikoanalyse: Erfassen Sie alle bekannten chronischen Erkrankungen in Ihrer direkten Familie (Eltern, Geschwister) und notieren Sie Ihr Alter bei deren Erstdiagnose.
  2. Lebensstil-Inventur: Bewerten Sie ehrlich Ihren aktuellen Stand bei den „Big 5“ (Ernährung, Bewegung, Gewicht, Rauchen, Alkohol) auf einer Skala von 1 bis 10.
  3. Abgleich mit Prävention: Vergleichen Sie Ihre familiären Risiken und Ihren Lebensstil-Score. Identifizieren Sie, welche Lebensstil-Faktoren für Sie die höchste Priorität haben sollten.
  4. Screening-Planung: Listen Sie auf Basis Ihres Alters die für Sie relevanten Standard-Vorsorgeuntersuchungen auf und ergänzen Sie Fragen an Ihren Arzt zu möglichen früheren oder häufigeren Screenings aufgrund Ihrer Familiengeschichte.
  5. Strategiegespräch vorbereiten: Nehmen Sie diese Liste mit zu Ihrem nächsten Arzttermin, um gemeinsam einen verbindlichen und sinnvollen Screening-Plan festzulegen, der auch die Vermeidung von Überdiagnostik berücksichtigt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ihr Lebensstil, nicht Ihre Gene, ist der entscheidende Faktor für die Entstehung von bis zu 90 % der chronischen Krankheiten.
  • Die Konzentration auf die „Big 5“ (Ernährung, Bewegung, Gewicht, Rauchen, Alkohol) wirkt synergetisch und schützt vor einer Vielzahl von Krankheiten gleichzeitig.
  • Eine Kombination aus proaktivem Lebensstil und intelligenter Nutzung der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen bietet den besten Schutz.

Welche Vorsorgeuntersuchungen brauche ich wirklich in meinem Alter?

Nachdem Sie Ihren Lebensstil aktiv gestalten und Ihre persönlichen Risikofaktoren analysiert haben, folgt der letzte, entscheidende Schritt: die konkrete Umsetzung der Früherkennung. Die Frage „Welche Untersuchung brauche ich wann?“ ist zentral für eine effektive Prävention. Ein starrer Plan, der für jeden gleich ist, wäre ineffizient. Die modernen Vorsorgeempfehlungen sind daher intelligent nach Alter und Geschlecht gestaffelt, um den Nutzen zu maximieren und unnötige Untersuchungen zu vermeiden. Ihr individueller Plan, den Sie mit Ihrem Arzt besprechen, wird diese allgemeinen Empfehlungen als Ausgangspunkt nehmen.

Der Grundgedanke ist, Screenings dann durchzuführen, wenn das Risiko für eine bestimmte Erkrankung statistisch ansteigt. So ist das Risiko für die meisten Krebsarten in jungen Jahren sehr gering, weshalb breite Screenings hier wenig sinnvoll wären. Mit zunehmendem Alter ändert sich dies. Die folgende Übersichtstabelle fasst die wichtigsten, von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen zusammen. Betrachten Sie diese als Ihr Grundgerüst für die Gesundheitsvorsorge.

Altersgerechte Vorsorgeuntersuchungen im Überblick
Alter Untersuchung Häufigkeit Geschlecht
Ab 35 Check-up 35 Alle 3 Jahre Alle
Ab 35 Hautkrebsscreening Alle 2 Jahre Alle
Ab 45 Prostatakrebs-Vorsorge Jährlich Männer
Ab 50 Darmkrebs-Stuhltest Jährlich Alle
50-69 Mammographie Alle 2 Jahre Frauen
Ab 55 Darmspiegelung Alle 10 Jahre Alle

Denken Sie daran: Diese Tabelle ist ein Standard. Bei familiärer Häufung bestimmter Erkrankungen kann Ihr Arzt empfehlen, mit einigen Untersuchungen früher zu beginnen oder sie in kürzeren Abständen durchzuführen. Zum Beispiel kann bei Darmkrebs in der Familie eine Koloskopie bereits vor dem 50. Lebensjahr angeraten sein. Proaktive Vorsorge bedeutet, diese Standards zu kennen und sie im Dialog mit Ihrem Arzt auf Ihre persönliche Geschichte anzupassen.

Ihre Gesundheit ist kein unabwendbares Schicksal, sondern das Ergebnis Ihrer täglichen Entscheidungen. Indem Sie die „Big 5“ des Lebensstils meistern und die Früherkennung intelligent für sich nutzen, übernehmen Sie die Regie. Der erste Schritt ist die Entscheidung, heute damit zu beginnen. Erstellen Sie Ihren persönlichen Audit-Plan und vereinbaren Sie einen Termin mit Ihrem Hausarzt, um Ihre proaktive Gesundheitsstrategie zu besprechen.

Häufige Fragen zum Thema Krankheitsvermeidung durch Lebensstil-Medizin statt Behandlung

Was ist der Unterschied zwischen Prävention und Gesundheitsförderung?

Bei der Prävention orientiert man sich an Krankheiten und entwickelt entsprechende Strategien, um diese zu verhindern. Bei der Gesundheitsförderung hingegen steht die Stärkung der allgemeinen Gesundheit und des Wohlbefindens im Mittelpunkt, ohne den Blick auf eine spezifische Krankheit zu richten.

Kann man auch zu viel untersucht werden?

Ja, das ist möglich. Die sogenannte Quartär-Prävention hat zum Ziel, Patienten vor unnötigen medizinischen Maßnahmen und Überdiagnostik zu schützen. Manchmal ist es medizinisch sinnvoller, abzuwarten und zu beobachten, ob Beschwerden von selbst abklingen, anstatt sofort eine Untersuchung durchzuführen.

Welche Rolle spielen soziale Faktoren bei der Prävention?

Soziale, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen spielen eine wesentliche Rolle. Die Verantwortung für eine erfolgreiche Prävention liegt nicht nur beim Einzelnen oder dem Gesundheitswesen, sondern erfordert das Engagement aller politischen und gesellschaftlichen Ebenen, um gesunde Lebensverhältnisse zu schaffen.

Geschrieben von Dr. Michael Schneider, Dr. Michael Schneider ist Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzqualifikation in Präventivmedizin und über 16 Jahren klinischer und präventivmedizinischer Erfahrung. Er leitet eine Praxis für Lifestyle-Medizin und Gesundheitsoptimierung in München, wo er Patienten in evidenzbasierten Präventionsstrategien, Stressmanagement und ganzheitlichen Gesundheitskonzepten berät. Dr. Schneider ist zertifizierter Lifestyle Medicine Physician (American College of Lifestyle Medicine) und Referent für betriebliche Gesundheitsförderung.